|
Artikel im "Südkurier"
First
of all you have to change your identity. Erwin Zwirner ist gnadenlos,
wenn es um den Eintritt in die Welt des Superlearnings geht. In seinem
Aufbau-Kurs für Business English bei der Lernbrücke in Friedrichshafen
haben die drei anwesenden Herren auch bereits folgsam ihre
Persönlichkeit zugunsten eines Englisch sprechenden Ich geändert. Aus
Andreas, Klaus und Joachim wurden Ken, Oscar und Mr. Brown.Sechs Tage
lang leben ihre englischen Ichs miteinander: Rollenspiele, Flipcharts,
Karteikärtchen, Fläzen in Schaukelsesseln zwischen Fotos von Piccadilly
und Highlands, Rezitieren unter dem Union Jack, Barockmusik zur
Entspannung und Muffins in den Pausen.
Die
Übungen basieren auf der Methode des suggestopädischen Lernens. Alles
ist Spiel. Und das Spiel ändert sich laufend. Vokabeln werden auf
kleine Karteikärtchen geschrieben und reihum abgefragt, Phrasen für
korrektes Telefonieren ausgewählt und in einem Rollenspiel trainiert.
Behutsam greift Zwirner ein: „Ich korrigiere nur die groben Fehler.
Wirkliche Perfektion zu wollen, hemmt eher." Immer wieder
wird gelacht, Zwirners Humor ist auch britisch, Witze gehören zum
Lernprogramm - ebenso wie das Video ,Ein Fisch namens Wanda'. Nur in
einem ist der Trainer knallhart: Deutsche Worte sind tabu, a uch in der
Mittagspause. Nach dem Mittagessen geht's raus an den Bodensee. Der
Seminarordner geht mit. Neugierige Blicke der Passanten. Jeder liest
einen Part aus dem nächsten Kapitel. Zwirner hat einen Ball
mitgebracht, wirft ihn Ken zu: „What do you find in the production?"
Der fängt ihn auf und überlegt sich einen englischen Begriff. Dann
wieder ins Warme und Aufteilung in zwei Gruppen. Finanz- und
Personalchef gegen Produktion. Die Maschinen sind veraltet, neue müssen
her. Am runden Tisch wird hart verhandelt. Schnell ist vergessen, dass
alles nur ein Spiel ist. Ken und Oscar kämpfen clever. Letztlich
kriegen sie, was sie wollen. Abschließend Entspannung bei barocken
Klängen.
Am
letzten der sechs Seminartage verteilt Erwin Zwirner Zertifikate und
persönliches Lob: „You did a good job." Davon wird auch Mannesmann VDO,
der Arbeitgeber von Andreas Graupner, zu überzeugen sein, denn „bei
Mannesmann ist die Lernbrücke seit Jahren ein Begriff. Joachim Storer,
der zusammen mit seinem Kollegen Klaus Metzger bei Algroup Lawson
Mardon arbeitet, suchte sich den Veranstalter selbst aus.
Die
Methode des entspannten Lernens geht auf den bulgarischen Neurologen
und Erziehungswissenschaftler Georgie Lozanov zurück. Er untersuchte
vor 30 Jahren die Funktionsweise des menschlichen Gehirns und fand
heraus, dass im herkömmlichen Unterricht nur ein Teil der Hirnkapazität
genutzt wird.
Heinz
Mandl, Pädagogikprofessor an der Universität München, forscht seit zwei
Jahrzehnten über das Lernen. Er untersuchte Superlearning im Vergleich
zu den herkömmlichen Methoden. Dabei zeigt sich, dass seine
Superlearning-Kandidaten nach nur 69 Englischstunden genau soviel an
Wissen aufbauen konnten wie diejenigen, die 256 Stunden- anderthalb
Jahre lang - mit der Frontalmethode gepaukt hatten.
Mandl
stellte fest, dass die Superlearner beim Sprechen, Hörverständnis und
Umgang mit Alltagsproblemen sogar besser als die Vergleichsgruppe
waren. Zudem waren die Teilnehmer des Superlearning-Kurses
hochmotiviert und begeistert, was nicht jeder Frontalunterrichtete von
sich behaupten wird.
Doch
was steckt hinter der Methode und was macht sie so erfolgreich? Im
Gegensatz zum traditionellen Frontalunterricht geht es darum, alle
Sinne einzusetzen, beide Hirnhälften zu benutzen, mit Freude zu
lernen, ständig neue Rollen einzunehmen und entspannt mit Musik zu
arbeiten. „Es kann schon vorkommen, dass erwachsene Männer sich
weigern, beim Ballspiel Vokabeln zu üben. Aber Erwin Zwirner brachte
sogar die größten Skeptiker dazu, auf einem Bein Schwanensee zu
tanzen", erklärt Lernbrücke-Geschäftsführerin Gabriele Renz. Niemand
wird allerdings zu etwas gezwungen. Wer nicht will, kann es sein lassen.
In
den 80er-Jahren begann mit der neuen Erkenntnis ein Boom im Markt des
suggestopädischen Lernen. Viele Anbieter kamen auf den Markt, von denen
nicht alle seriös waren. Mittlerweile gibt es eine Prüfstelle für
Weiterbildung wie die Aktion Bildungsinformation (ABI) in Stuttgart.
|
|
|